Drei Tage im Mekka der Magier
Grenchen Vom Zauberlehrling bis zum Weltmeister der Magie: Am Wochenende gaben sich 140 Illusionskünstler am 6. Zauberkongress ein Stelldichein.
«Walle, walle manche Strecke, dass zum Zwecke Wasser fliesse, und mit reichem, vollem Schwalle, zu dem Bade sich ergiesse», beschrieb Johann Wolfgang von Goethe den unglücklichen Zauberlehrling, der den Wassereimer
schleppenden Besen nicht mehr stoppen konnte. An diesen erinnerte am Freitagmittag Zauberer Erino zur Eröffnung des 6. Zauberkongresses auf der Bühne des Parktheaters in Grenchen. Sein Gewirr von Schnüren wollte sich einfach nicht in gleichmässig lange Spaghettis verwandeln. Der Hilferuf des Zauberlehrlings, «Herr, die
Not ist gross, die Geister, die ich rief, ich werd’ sie nun nicht los», blieb bei Erino aus. Laut Sven «Spacey» Bolliger, Profizauberer und Präsident des Magischen Rings Schweiz, zu Recht.
Keine Geisterbeschwörung
Zauberkunst hat nichts mit Geisterbeschwörung zu tun. Bolliger: «Wir wollen unterhalten, die Zuschauer durch die Wirkung einer künstlerischen Aktion eine Täuschung als Wirklichkeit erleben lassen.»
Ein Gang durch das Parktheater bestätigt dies. Hinter verschlossenen Türen werden Seminare abgehalten, deren Titel eher an Managementlehrgänge als an Workshops für Scharlatane erinnern. Auch nur Geschäftsmässiges
fördert der Blick auf die Stände der Händlermesse zutage: Bücher, DVDs, Requisiten. Und vor allem auch schicke Outfits. Diese sind für erfolgreiche Angehörige der Magiergilde ein Muss: Frack, Seidenhemd, glänzende Schuhe. Entsprechend warfen sich die Protagonisten für den Gala-Abend vom Samstag auf der Bühne des ausverkauften Parktheaters in Montur. Vorab Bert Rex, der durch das Programm führte. Er allein wäre dank seiner verbalen Brillanz in der Lage gewesen, das Publikum abendfüllend bei Laune zu halten. Er zeigte sich in Hochform. Seine
Comedy-Slapsticks sorgten für Heiterkeit, die Zauber-Intermezzi dienten als Appetithäppchen für die grossformatigen und grossartigen Inszenierungen seiner Kollegen.
Auch eine Frau fand Aufnahme ins illustre Sextett der Auftretenden: Park Eun-Kyoung aus Südkorea. Als Carmen-Verkörperung aus der gleichnamigen Oper bescherte sie dem Publikum einen starken Flamenco-Auftritt. Ihre Fächer verschwanden so schnell, wie sie aus dem Nichts im Raum auftauchten. Dem Operngenre treu blieb der französische Illusionist Mikael Szanyiel. Sein Kampf als Figaro gegen widerspenstige Krawatten-Fliegen und
Mikrophone war beeindruckend. Ein weiterer Vertreter Frankreichs war Yann Frisch, Weltmeister 2012 in der Close-Up- Magie. An einem Tisch sitzend, zeigte er ein stilles Feuerwerk an Mimik, Jonglage und magischen
Effekten: mit einer Kanne Tee und zwei, drei kleinen Bällen.
Weltpremiere
Für eine Weltpremiere sorgte der Pole Arséne Lupin mit der Neuinterpretation seiner Spiegeldarbietung.
Durch einen Spiegel Gläser mit Wein und einen immer grösser werdenden Stapel Geldscheine zu duplizieren, war ganz amüsant, gar lukrativ. Als seine Assistentin die Bühne betrat, wurde wohl der eine oder andere Zuschauer von einem metaphysischen Gruseln beschlichen. Der will doch nicht jetzt etwa…? Doch, er wollte. Bald stand ein attraktives «doppeltes Lottchen» auf der Bühne. Doch damit nicht genug. Lupin stellte gleich noch einen «magischen Klon» von sich auf die Bühne.
Für einen fast schon überirdischen Abschluss sorgte der zweite Weltmeister und Koreaner in der Runde: Yu Ho Jin mit seiner Kartenmagie. Der dritte Koreaner war Hyun Min Yoo. Der junge, fröhliche Mann ist (noch) kein
Weltmeister, aber grosser Sieger des am Freitagabend durchgeführten «Grand Prix Eterna».
(© Bieler Tagblatt. 08.04.13, von Hanspeter Flückiger)